Viesturs Kairiðs / Kaspars Odiòð

Die Schlange

Stück nach Motiven des Romans „Sarpele” von Mircea Eliade


Die Aufführungsrechte liegen beim Kaiserverlag (Wien)



Personen:

Herr Solomon
Frau Solomon
Dorina und
Lisa, ihre beiden Töchter
Stere, Lisas Ehemann
Hauptmann Manuila und
Stamate, Heiratskandidaten für Dorina
Andronic
ein Mönch
die Schlange
die Unbekannte

 

 


Eine Gesellschaft nach Beendigung eines ausgiebigen Mahls. Stamate erhebt sich und singt eine Romanze. Man applaudiert.

Dorina · Zauberhaft! Schreiben Sie mir bitte den Text dieses Liedes auf!

Stamate · Der Text ist alt, nur die Melodie ist neu… Das Lied gefällt mir, es ist so innig…

Stere · Schatz, gieß mir noch Wein ein, aber verdünnt.

Dorina · Hauptmann, von wem stammt der Text des Liedes? Ich höre ihn zum ersten Mal.

Stere · Paß auf, es läuft über!

Stamate · Ich weiß wirklich nicht, von wem der Text stammt, ich weiß nur, daß es…

Herr Solomon · Herrschaften, wer möchte Kaffee?

Frau Solomon · Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick! Ich glaube, der Kaffee ist fertig.

Hauptmann Manuila · Wie ich sehe, interessieren wir uns für Poesie?

Dorina · Mir gefallen nur wenige Dichter, insbesondere zeitgenössische.

Manuila · Das ist mir nicht entgangen. Die Verse des Liedes kennen Sie nicht, obwohl sie gar nicht so alt sind. Sie stammen von Radu Rosetti!

Stere · Radu Rosetti, mein Gott, was für ein Dichter! Im Krieg habe ich ihn kennengelernt…

Manuila · Ich habe gehört, daß er gestorben sei.

Herr und Frau Solomon, ein wenig abseits.

Herr Solomon · Der Wein ist alle.

Frau Solomon · Das Mittagessen ist, Gott sei Dank, vorüber.

Herr Solomon · Es ist doch alles gut gelungen. Der Tisch hat sich gebogen vor Speisen. Von den Hühnchen ist sogar noch etwas übriggeblieben.

Frau Solomon · Weihnachten werden wir schon in der Hauptstadt feiern.

Herr Solomon · Das war vielleicht unser letztes Familienfest in diesem Haus.

Frau Solomon · Den Sommer werden wir aber doch hier verbringen?

Herr Solomon · Dreißig Jahre zusammen…

Frau Solomon · Wir laden doch deine neuen Bekannten ein, oder?

Herr Solomon · Ich wollte sagen, daß Dorina endlich unter die Haube kommt.

Frau Solomon · Also laden wir sie ein. Was meinst du: Dorina - wird Dorina uns schnell vergessen?

Herr Solomon · Red’ doch keinen Unsinn, Schatz.

Frau Solomon · Nein, antworte mir!

Herr Solomon · Was machen wir jetzt - mit den Gästen zum Kloster fahren?

Frau Solomon · Das mußt du entscheiden. Aber ich kann dort nicht schlafen, dort spukt es…

Herr Solomon · Dort gibt es nur Mücken und sonst nichts.

Frau Solomon · Du hast doch nie so etwas bemerkt oder gefühlt.

Herr Solomon · Ich habe ihnen schon versprochen, daß wir fahren… Was hältst du von dem Hauptmann?

Frau Solomon · Wo ihr den bloß aufgegabelt habt!

[...]

1998
Aus dem Lettischen von Matthias Knoll






Originaltitel: Èuska
Uraufführung: Januar 1999 (Jaunais Rîgas teâtris)

Die Inszenierung von Viesturs Kairiðs war im April 2000 unter dem Titel „Serpent”
als Gastspiel im Berliner Hebbel-Theater zu sehen. Näheres zur Inszenierung
in den Artikeln von Guna Zeltiòa und Carola Dürr

Gesamtumfang der Übersetzung: 44.692 Zeichen / 25 Normseiten
Umfang der Leseprobe: 2.626 Zeichen (6%)

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